Geschichte des Projekts

Die Geschichte des Sonderfahrdienstes in Berlin – Ein Rückblick

Telebus

Telebus

Der heutige Sonderfahrdienst in Berlin (SFD) wurde als „Telebus“ 1979 eingeführt. Damals gab es kaum Beförderungsmöglichkeiten für Rollstuhlnutzer, der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) war auf diesen Personenkreis nicht eingestellt. So eröffnete das neue Beförderungssystem die Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilnahme.

Mit der Finanzierung durch Forschungsmittel des Bundes wurde das Fahrdienstsystem für außergewöhnlich gehbehinderte Personen, die den ÖPNV nicht nutzen können, eingeführt. Die Firma Neoplan entwickelte luftgefederte, absenkbare Busse mit integrierten Rampen, die eine Zufahrt für mehrere Rollstuhlnutzer ermöglichten. Die eingesetzten Busse, alle grün lackiert, wurden von der eigens eingerichteten Telebuszentrale den Fahrtbestellungen entsprechend eingesetzt.

Die Disponenten in der Zentrale sollten die Fahrtrouten so optimieren, dass Einbindungsfahrten von mehreren Rollstuhlnutzern miteinander kombiniert werden konnten. Dies diente dem Zweck, eine möglichst hohe Auslastung der Fahrzeuge zu erreichen. Jedoch führte es für die einzelnen Fahrgäste teilweise zu langen Fahrten durch die Stadt, da vom Abhol- bis zum Zielort andere Fahrgäste aufgenommen bzw. abgesetzt wurden. Auch war dieses System anfällig für Verspätungen, da eine ungeplante Fahrtunterbrechung alle weiteren Termine nach hinten verschob.

Nach Beendigung der Forschungsphase wurden die Neoplan-Busse kontinuierlich durch Kleintransporter ausgetauscht, die kostengünstiger fuhren. Diese BTWs (Behindertentransportwagen) verfügten über bis zu vier Rollstuhlnutzerplätze und konnten über eine lange Rampe am Heck berollt werden.

Neoplan-Busse wurden durch Kleintransporter ausgetausch

Neoplan-Busse wurden durch Kleintransporter ausgetauscht

Der Fahrdienst wurde nun von der Senatsverwaltung für Soziales finanziert und ausgeschrieben, die Anzahl der eingesetzten Fahrzeuge durch das begrenzte Budget limitiert. Es wurden auch Fahrzeuge mit Fahrer und Beifahrer eingesetzt, damit eine Treppenhilfe durchgeführt werden konnte. Die potentiellen Fahrgäste konnten eine Berechtigung für die Nutzung des Fahrdienstes beim Landesamt für Gesundheit und Soziales einholen, wenn Sie außergewöhnlich gehbehindert, Probleme beim Treppensteigen und einen Grad der Behinderung von mindestens 80 vorweisen. Nur private Fahrten im Freizeitbereich konnten angemeldet werden, die in der Anzahl nicht begrenzt waren. Ein Eigenbeitrag war fällig, der sich mit der Häufigkeit der Fahrten erhöhte. Durch die begrenzte Anzahl an Fahrzeugen musste der Fahrdienst 14 bis 2 Tage vor Fahrtantritt vorbestellt werden, doch konnte es vorkommen, dass am gewünschten Tag schon alle Fahrzeuge ausgebucht waren.

Um eine flexiblere Beförderung für behinderte Personen in Berlin zu ermöglichen, drängten die Betroffenenorganisationen auf bezuschusste Fahrten mit Taxen. Mitte der 80er Jahre wurde ein Couponsystem zur Bezahlung der Taxifahrten eingeführt, das sehr gut angenommen wurde. Das Taxigewerbe reagierte auf den neuen Kundenkreis: Es wurden über 30 „Berlin Taxis“ VW T3 Bullis mit seitlich angebrachten Schienen zur Auffahrt für Rollstuhlfahrer eingesetzt.

"Berlin Taxi" VW T3 Bulli

„Berlin Taxi“ VW T3 Bulli

Leider häuften sich missbräuchliche Abrechnungen der Coupons, so dass dieses Bezahlsystem wieder abgeschafft wurde und die Berlin Taxen sich nicht weiter durchsetzen konnten. Das Thema Taxinutzung blieb jedoch im Gespräch, weil das Beispiel London zeigte, dass mit Hilfe einer gesetzlichen Vorschrift die Taxiflotte barrierefrei nachgerüstet werden musste. In Berlin folgte die Einführung des Taxikontos, quasi ein persönliches Mobilitätsbudget, über das die berechtigten Personen monatlich verfügen konnten. Der Fahrtpreis musste jedoch erst verauslagt und der volle Eigenbeitrag aufgebraucht sein, bevor die Zuschüsse angerechnet werden konnten. Aus diesen Gründen und der Tatsache, dass immer weniger barrierefreie Taxen zur Verfügung standen, hat sich die Inanspruchnahme des Taxikontos bis heute verringert.

2004 wollte die Senatsverwaltung Soziales die Regie des Telebusses der BVG übertragen, um eine bessere Verzahnung mit dem ÖPNV herzustellen. Busse und Bahnen waren mittlerweile in der barrierefreien Ausstattung vorangekommen. Es zeigte sich jedoch, dass das Management der BVG die Regieleistung nicht übernehmen wollte und auch die beiden Verkehrssysteme nicht miteinander kompatibel sind. Hierzu bedarf es einer spontanen Nutzungsmöglichkeit des Sonderfahrdienstes. Da die Regiezentrale bereits gekündigt wurde, sprangen zunächst die Taxifunkzentrale City Funk und später das Funk Taxi Berlin als Vermittler der Sonderfahrdiensttransporter ein. Neue Techniken, wie die GPS Ortung der Fahrzeuge und Computer basierte Fahrtroutenoptimierung, konnten jedoch nicht die systembedingten Schwächen beseitigen. So wird aus dem Nutzerkreis weiterhin Kritik geübt an der meist fehlenden Möglichkeit, eine Fahrt spontan zu bestellen, der verbreiteten Unpünktlichkeit und dem Fehlverhalten vereinzelter Fahrer, meist bezogen auf den ruppigen Fahrstil, die falsche Sicherung der Rollstühle und die mangelnden Umgangsformen. Auch wird bemängelt, dass keine nächtliche Fahrt nach 24 Uhr zu bestellen ist, da die Fahrzeuge um 1 Uhr am Unternehmersitz zurückgekehrt sein müssen.

Seit der Verabschiedung des Behindertengleichstellungsgesetzes und der Ratifizierung der UN Behindertenrechtskonvention liegt der Fokus nun auf der Gestaltung einer „inklusiven“ Gesellschaft. So wird der Sonderfahrdienst zunehmend auch als „exklusives“ Verkehrssystem kritisiert, das ausschließlich behinderte Menschen in Transportern befördert.

Die europaweite Ausschreibung für die Regiezentrale und die Beförderungsleistung der Fahrer mit ihren Fahrzeugen erfolgt mittlerweile im drei Jahre Turnus. Im Juli 2016 besteht die Möglichkeit, dass die derzeitigen Unternehmen eine Option ziehen können, um weitere zwei Jahre den Fahrdienst fortführen zu dürfen. Eine Neuvergabe erfolgt dann voraussichtlich 2018.

Geschichte des Vorläuferprojekts EnthinderungsTaxi (E-Taxi)

Das Projekt InklusionsTaxi – Taxi für Alle hat einen Vorlauf von über 25 Jahren. In dieser Zeit stand die Entwicklung und Erprobung der Fahrzeuge im Mittelpunkt neben der Ideenfindung für eine Marktimplementierung. Als größter Erfolg ist der Einsatz von entwickelten Taxifahrzeugen zur Sommerolympiade 2000 in Sydney zu verzeichnen.

1990-91

Designstudie von Studenten an der Hochschule der Künste Berlin zu behindertengerechten Taxifahrzeugen in koop. mit der Behindertenwerkstatt Theta Wedding im Auftrag des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.

1992

Vorstellung der Ergebnisse der Designstudie bei der deutschen Fahrzeugindustrie.
Mitarbeit bei der Präsentation der Mercedes-Benz AG anlässlich der Fachtagung zur Europäischen Verkehrsministerkonferenz in Sevilla zum Thema „Behindertengerechte Taxifahrzeuge“.

1993-95

Koordination der Forschung „Behindertenbeförderung im Taxisystem“, teilfinanziert durch das Bundesministerium für Forschung und Technologie im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung für Soziales.

  • Beratung der Mercedes-Benz AG bei der behindertengerechten Ausstattung des Forschungs- und Versuchsfahrzeugs.
  • Forschung im Auftrag des Instituts für Sozialforschung.
  • Fahrerbefragung zum Versuchsfahrzeug im Auftrag der Daimler-Benz Forschung Berlin-Marienfelde.
  • Präsentationen des Versuchsfahrzeugs und des Forschungsvorhabens
  • Dokumentation und Auswertung der Forschung.
  • Erstellung eines Videofilms zur Schulung von Taxifahrern in der Behindertenbeförderung.

1998

Beratung der Senatsverwaltung und der Daimler-Benz AG in der behindertengerechten Ausstattung und im Einsatz des Mercedes-Benz Vito im Verkehrssystem der Behindertenbeförderung.
Anmeldung eines Gebrauchsmusters zur Gestaltung der Auffahrtrampe für Rollstuhlfahrer in Fahrzeugen.

1999

Schulung der Taxifahrer der behindertengerechten Vito-Taxen im Umgang mit behinderten Fahrgästen und Einweisung in die behindertengerechte Ausstattung der Testfahrzeuge.
Überschreibung des oben genannten Gebrauchsmusters an die DaimlerChrysler AG im Sinne eines Diensterfinders des Hauses.
Anfrage des Olympischen Komitees Sydney 2000, behindertengerechte Taxen während der Olympiade einzusetzen, an das Forschungsprojekt und die DaimlerChrysler AG.

2000

Auswertung des Testeinsatzes der multifunktionalen Taxifahrzeuge. Ausarbeitung der Konzeption eines vernetzten Verkehrssystems für die Behindertenbeförderung in Berlin („Das Mobilitätsdreieck“) (im Auftrag der Gesellschaft für Integration, Sozialforschung und Betriebspädagogik gGmbH).

2001

Beratung der Projektgruppe „Gleichstellungsgesetz für Behinderte“.

2002-04

Kooperation mit der Adam Opel AG / Opel Special Vehicles. Beratung bei der Gestaltung und dem behindertengerechten Umbau des Opel Vivaro beim Fahrzeugumrüster B-Style in den Niederlanden.
Durchführung und Auswertung der Befragung von Taxiunternehmern und -fahrern zum Einsatz multifunktionaler Taxifahrzeuge.

2004-05

Beratung der Berliner Funkzentrale „City-Funk“ bei der Vermittlung der Sonderfahrzeuge in der Berliner Behindertenbeförderung.

2007

Städtevergleich zwischen 8 Städten in der Behindertenbeförderung (im Auftrag der Senatsverwaltung Soziales).

2008

Präsentation des Städtevergleichs in Gremien und Institutionen für Behinderte in Berlin und den beteiligten Städten.

2009

Entwicklung des Konzepts zur Einführung behindertengerechter Taxifahrzeuge und Diskussion mit politischen Parteien und Betroffenenverbänden.

2012-14

Antragstellung auf die Durchführung des Inklusionsprojekts vom SoVD bei Aktion Mensch „Inklusion im öffentlichen Nahverkehr – Einführung barrierefreier Taxen“. Durchführung der Vorlaufphase, Beantragung der Hauptphase (im Auftrag des SoVD).